Dekarbonisierung des Verkehrssektors

Es gibt noch viel zu tun

Von Claudia Harbinger · 2021

Deutschland hat sich ambitionierte Ziele bei der Vermeidung von Treibhausgasemissionen gesetzt. Insbesondere vom Verkehrssektor wird ein stärkerer Beitrag zum Gelingen erwartet. Länder und Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, die mutig angegangen werden müssen. Neben technischen Innovationen kommt es auf die Menschen an.

Verkehrsschild mit CO2-Emissionen
Die Hälfte des Weges in eine emissionsfreie Welt ist bereits geschafft. Foto: iStock / hfoxfoto

Deutschland soll nach Beschluss der Bundesregierung bis 2045 das Ziel Treibhausgasneutralität erreicht haben. Das bedeutet, dass ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau herrscht. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Nach dem Jahr 2050 soll es nur noch negative Emissionen geben. Der gegenwärtige Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland müsste dafür nach Angaben des Umweltbundesamts von etwa elf Tonnen pro Jahr und Kopf auf ungefähr eine Tonne reduziert werden. Die Mobilitätswende für einen klimafreundlichen Verkehr ist ein wichtiger Baustein. Um einen treibhausgasneutralen Verkehrssektor zu erreichen, muss vollständig auf erneuerbaren Strom umgestellt werden. Dieser Lösungsweg ist mit einem hohen zusätzlichen Strombedarf für Fahrstrom sowie stromerzeugte synthetische Kraftstoffe verbunden. Es ist unumgänglich, den Endenergiebedarf des gesamten Verkehrssektors deutlich zu senken, obwohl das Verkehrsaufkommen Prognosen zufolge immer weiter ansteigt.

Dekarbonisierung des Verkehrssektors: alle sind gefordert

Um die Mobilitätswende zu schaffen, müssen Bundesregierung und Industrie an einem Strang ziehen. Angesichts der Ziele besteht großer Handlungsbedarf. Doch auch die Bürgerinnen und Bürger sind gefordert. „Drei Viertel der Klimaziele können in diesem Bereich über neue Technologien und Effizienzsteigerung erreicht werden, das letzte Viertel geht jedoch nur mit einer Verhaltensänderung der Menschen“, erklärt Barbara Lenz, Mobilitätsexpertin am Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt. Gebraucht werde ein Mix aus Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsbesserung. An erster Stelle stehen mehr Zufußgehen und Fahrradfahren. Zur Verkehrsverlagerung gehört natürlich auch die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit Bus, U-Bahn, S-Bahn und Tram. In größeren Städten gibt es Angebote von Carsharing und Ridepooling mit E-Autos, bei denen sich Menschen ein Auto oder eine Fahrt teilen, wobei die Außenbezirke oft noch nicht bedient werden. Für längere Strecken gibt es das Bahn- und Fernbusnetz. Zur Verkehrsbesserung gehören verdichtete Taktzeiten, sichere und barrierefreie Gehwege sowie ein lückenloses Radwegenetz mit Radparkplätzen an ÖPNV-Knotenpunkten und Lademöglichkeiten für E-Bikes. Die Bundesländer und Kommunen sind hier stark gefordert. „Außerdem brauchen die Bürgerinnen und Bürger eine gute Versorgungsstruktur in ihrem Kiez“, betont Lenz. Das heißt: Arzt, Supermarkt, Bürgeramt und Kino sollten in der Nähe sein, also nur bis zu 1,2 Kilometer entfernt und zu Fuß in 15 bis 20 Minuten erreichbar. Optimal ist es, wenn auch der Arbeitsplatz ohne Auto mit Verbrennungsmotor und ohne lange Wege erreicht werden kann. 

Ohne Elektro-Infrastruktur geht es nicht

Doch nicht alle Wege können zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Muss es doch mal ein Auto sein, empfiehlt sich ein rein elektrisches Fahrzeug. Und deren Zahl steigt enorm. So wurden im Jahr 2020 über 194.000 Pkw mit reinem Elektroantrieb neu zugelassen – so viele wie nie zuvor. Auch das Jahr 2021 verläuft bisher mit einem deutlichen Zuwachs. Doch auch die Stromer benötigen Energie – und das meist öfter als die herkömmlichen Verbrenner. Damit der Akku immer genug Saft hat, braucht es gerade in dichtbesiedelten Stadtquartieren mehr sogenannte Schnelllade-Hubs.  Noch fehlt es aber überhaupt an Ladesäulen in Deutschland. Nur rund 38.800 öffentlich zugängliche Normalladepunkte und 6.500 Schnellladepunkte gibt es laut Bundesnetzagentur. Die Mehrheit der E-Auto-Besitzer lädt per Wallbox in der eigenen Garage oder auf dem Firmenparkplatz. Doch nicht jeder Autofahrer hat die Möglichkeit, den Wagen zu Hause oder auf der Arbeit zu betanken. So führt der Mangel an Lademöglichkeiten zu Unsicherheiten. Erst wenn diese Unsicherheiten in Bezug auf Lademöglichkeit und Ladezeit, Verbrauch und Reichweite aus der Welt geschafft sind, werden sich mehr Menschen für ein E-Auto entscheiden. Auch an Wasserstofftankstellen mangelt es. So gibt es in Deutschland aktuell rund 14.500 konventionelle Tankstellen, jedoch nur etwa 90 Wasserstofftankstellen. Allerdings fahren auch erst etwa 800 Wasserstoffautos auf deutschen Straßen.

CO2 in allen Bereichen reduzieren

Beim Güterverkehr geht es vor allem um die Verlagerung von Transporten, die bisher per Lkw erfolgen, auf die Bahn, und dort, wo es möglich ist, auch auf das Binnenschiff. Dafür wird eine entsprechende moderne Infrastruktur benötigt. Insgesamt soll rund die Hälfte der Gütertransporte im Jahr 2050 mit diesen Verkehrsmitteln erfolgen. Innerhalb der Städte kommen bereits jetzt vermehrt kleine elektrisch betriebene Lkw und Lastenräder zum Einsatz. Umweltorganisationen fordern zudem höhere CO2-Steuern und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen. Sie wollen eine gesenkte Mehrwertsteuer für die Bahn und generelle Tempolimits von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen, 80 Stundenkilometern auf Landstraßen und 30 Stundenkilometern innerhalb von Städten und Gemeinden. Im Bereich der Geschwindigkeitsbegrenzung gelten beispielweise Spanien und Paris als Vorbilder. Beim Personenflugverkehr werden in absehbarer Zeit die Ticketpreise wohl steigen. Kurztrips innerhalb Europas könnten dann an Attraktivität verlieren. Telemeetings sollen bei Unternehmen Geschäftsflüge ersetzen.

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