Elektrofahrzeuge laden

Spulen für die Stromer

Von Katharina Lehmann · 2017

Eine Million Elektroautos bis 2020 – das wünschen sich Politiker und Umweltverbände. Doch die deutschen Autofahrer zeigen bisher wenig Interesse an den Stromern. Vor allem die geringe Reichweite, die niedrige Anzahl an Ladesäulen und der hohe Preis schrecken ab. Komfortablere Technologien zum Aufladen der Energiequelle werden dringend gebraucht.

 Verkehrsschild für Elektro-Ladestationen

Jeder zweite Deutsche kann sich grundsätzlich vorstellen, binnen der kommenden vier Jahre ein elektrisch betriebenes Fahrzeug anzuschaffen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Zusammenarbeit mit dem Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Umweltbonus hat Fehlzündung

Wird es jedoch konkret, greifen die deutschen Autofahrer noch immer zum Verbrennungsmotor. Nur etwa 34.000 reine Stromer waren zum 1. Januar 2017 laut Kraftfahrtbundesamt zugelassen und lediglich 11.410 wurden im vergangenen Jahr neu angemeldet. Eine steigende Nachfrage haben sich Autohersteller und die Bundesregierung von dem Mitte des vergangenen Jahres eingeführten Umweltbonus erhofft. 1,2 Milliarden Euro stehen bereit, um den Konsumenten die E-Fahrzeuge schmackhaft zu machen. 4.000 Euro – finanziert vom Bund sowie den Herstellern – bekommen Elektroautokäufer. Außerdem müssen sie während der ersten zehn Jahre keine Kfz-Steuer zahlen. 

Bislang zeigt die Maßnahme wenig Wirkung. Ein Dreivierteljahr später sind gerade einmal fünf Prozent der potenziellen Fördermittel beantragt – nur 15.000 Anträge gingen beim Bundeswirtschaftsministerium ein. Setzt sich dieser Trend fort, reicht das Geld für etwa 15 Jahre. Umweltministerin Barbara Hendricks hofft nun auf neue attraktive Modelle, um die Zahl der Stromer auf den Straßen zu erhöhen. Die deutschen Autobauer haben bereits neue Fabrikate angekündigt.

Doch die noch recht bescheidene Auswahl an E-Auto-Modellen ist nicht der gewichtigste Grund für die Zurückhaltung der Deutschen. Der hohe Preis und die geringe Reichweite der Elektroautos, vor allem aber die Ladeproblematik halten viele Autokäufer vom Umstieg ab, ergab die Umfrage von YouGov und CAM. Den Verbrauchern ist die Ladedauer zu lang und die Anzahl an öffentlich zugänglichen Ladesäulen zu gering. 

Elektrofahrzeuge laden: Strom tanken dauert noch zu lange

Lediglich 7.407 öffentlich zugängliche Ladepunkte, verteilt auf 3.206 Ladestationen, gab es 2016 in Deutschland, hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ermittelt. Noch gravierender: Noch immer gibt es in Deutschland laut BDEW-Zahlen nur 292 Schnellladesäulen, an deren der Akku binnen einer halben Stunde wieder aufgeladen werden kann. Und nicht selten sind die öffentlichen Ladesäulen zugeparkt. 

Zwar konnten seit Mitte des vergangenen Jahres 20 Prozent mehr Schnelllader und elf Prozent mehr normale Säulen gezählt werden. Doch noch immer stehen viel zu wenige Lademöglichkeiten zur Verfügung. Denn: Zählt man nicht nur die reinen Elektroautos, sondern auch die wachsende Zahl der Plug-in-Hybride, so wird das Verhältnis von Auto zu Anschluss immer schlechter. Derzeit kommen 10,3 ladefähige Fahrzeuge auf eine Lademöglichkeit. Mitte 2015 teilten sich 6,7 Fahrzeuge einen Anschluss, zwei Jahre davor waren es 2,4. 

Mehr Ladesäulen braucht das Land

Während Metropolen wie Berlin mit 536 Ladepunkten, Stuttgart (375) oder Hamburg (292) schon heute vergleichsweise gut ausgestattet sind, mangelt es in den ländlichen Regionen – gerade in Ost- und Norddeutschland – noch immer an einem öffentlichen Ladenetz. Das muss sich ändern. Denn sollten wirklich einmal eine Million Stromer über Deutschlands Straßen rollen, bräuchte es nach Schätzung der Nationalen Plattform Elektromobilität mindestens 70.000 Ladepunkte und gut 7.100 Schnellladesäulen. 

Mit Fördermitteln in Höhe von 300 Millionen Euro will die Bundesregierung nun 15.000 neue Ladesäulen – 5.000 Schnellladestationen und 10.000 Normalladestationen – bauen. Gefördert werden neben der Errichtung der Säule auch der Netzanschluss und die Montage. Seit Anfang März 2017 können Kommunen und private Investoren die Förderung beantragen – die Ladesäulen müssen allerdings öffentlich zugänglich sein und mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist werden. 

Auch die großen deutschen Autobauer Daimler, BMW, der VW-Konzern und Ford planen als Kaufanreiz für ihre strombetriebenen Fahrzeuge nun ein Netzwerk gemeinsamer Schnellladestationen. 400 Stromzapfsäulen sollen in diesem Jahr entlang der großen Verkehrsachsen in Europa entstehen – bis 2020 sollen es Tausende Stationen sein. Innerhalb weniger Minuten soll an ihnen der Akku wieder zu 80 Prozent aufgefüllt sein. Zum Vergleich: An der herkömmlichen Schnellladesäule dauert der Tankvorgang etwa eine halbe Stunde, an der haushaltsüblichen Steckdose etwa sieben bis acht Stunden. Doch das schnelle Laden mittel CCS-Stecker – Combined Charging System – und einer Leistung von 350 Kilowatt hat einen Haken: Bei den E-Autos von heute funktioniert die Schnellladung noch nicht. Erst bei neueren Modellen wird die Idee wirklich anwendbar. 

Auf die Induktionsspule kommt es an

Immer mehr Experten halten das Ladesäulensystem jedoch für nicht zukunftsfähig. „Der derzeitige Ladestandard mit Säule und Schnellladekabel ist unpraktisch. Wir brauchen komfortablere Möglichkeiten, den Akku wieder aufzuladen“, fordert Stefan Bratzel, Leiter des CAM an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach und sieht den Durchbruch des Elektromobils erst mit der flächendeckenden Implementierung der Induktionstechnologie. Dabei werden Induktionsspulen in den Boden von Garagen und Parkplätzen oder in den Straßenbelag ganzer Fahrbahnen integriert. So versorgen sie den Akku bei Kontakt mit Energie – ganz ohne Ladekabel und langes Warten. „Das induktive Laden wird kommen – allerdings erst in etwa zehn Jahren“, glaubt Bratzel. Für die frühen 2020er Jahre prognostiziert der Autoexperte dann auch eine Neuzulassungsquote bei den Stromern von 20 bis 25 Prozent.

Die Kosten im Blick behalten

Strom kostet Geld – auch an der Ladesäule. Und manchmal ist das Tanken an kostenpflichtigen öffentlichen Ladestationen sogar teurer als das Betanken eines vergleichbaren Fahrzeugs mit Kraftstoff. Das hat die Zeitschrift Auto Bild bei einer Erhebung in Berlin festgestellt: An einer öffentlichen Standardladesäule im Zentrum zapften sie ausreichend Strom, um einen E-Golf auf eine 100 Kilometer lange Fahrt zu schicken. Dafür hing der Stromer fast vier Stunden an der Steckdose – Preis: 19,80 Euro. Ein Golf TSI mit Verbrennungsmotor brauchte für die 100 Kilometer jedoch nur Benzin im Wert von 9,65 Euro. Der Grund: Standard-Zapfanlagen spenden Wechselstrom mit bis zu 22 Kilowatt. Die meisten E-Autos können aber aufgrund ihrer langsamen Wechselstrombuchsen nur einen Bruchteil davon aufnehmen.

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