Verkehrsmittel

Das Auto allein macht Städter nicht mehr glücklich

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2024

Mehr als 49,1 Millionen Pkws waren Anfang des Jahres nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Deutschland zugelassen – 0,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das Auto bleibt also das wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland. Doch das ändert sich gerade. Vor allem junge Menschen wollen die Verkehrswende.

Stau auf einer Stadtstraße bei tiefstehender Sonne, Autos in beiden Fahrspuren, Morgen- oder Abendlicht.
Deutsche Pendler stehen rund 40 Stunden pro Jahr im Stau. Foto: iStock / Canetti

Die Deutschen fahren weiterhin mit Benzin und Diesel. Insgesamt waren Anfang des Jahres laut KBA insgesamt rund 44 Millionen fossile Verbrenner auf den Straßen der Republik unterwegs. Die Zahl der Dieselautos nahm aber auf Jahressicht um zwei Prozent ab. Auch die Anzahl der Benziner verringerte sich um 1,1 Prozent. Dafür hatte sich zum Jahresbeginn die Zahl der reinen E-Autos im Vergleich zum Vorjahr um 39,1 Prozent auf 1,4 Millionen erhöht, heißt es in der Mitteilung der Behörde. Bei den Hybridautos, inklusive Plug-in-Hybriden, stieg die Zahl der insgesamt zugelassenen Pkws um 24,5 Prozent auf rund 2,9 Millionen.

Allerdings: Mit Auslaufen der E-Auto-Kaufprämie im vergangenen Jahr ging auch die Zahl der Neuanmeldungen rein elektrisch betriebener Fahrzeuge drastisch zurück. So wurden im August dem KBA zufolge nur noch 27.024 neue E-Autos angemeldet – 68,8 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Auch im Vergleich zum Vormonat Juli ist die Zahl der neu zugelassenen E-Autos zurückgegangen, und zwar um rund zwölf Prozent. Ziel der Bundesregierung ist es jedoch, bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Verbrenner durch vollelektrische Pkws zu ersetzen und so den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 2020 um rund 40 Prozent zu senken. Überhaupt ist der Verkehrssektor einer der Haupttreiber für den Ausstoß klima- und gesundheitsschädlicher Gase in Deutschland. Und der Bereich mit den wenigsten Reduktionen: Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) war der Verkehrssektor im vergangenen Jahr für rund 146 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen verantwortlich und trug damit rund 22 Prozent zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei. Dieser Anteil an den Gesamtemissionen ist gegenüber 1990 um neun Prozentpunkte gestiegen. Mit nur 10,9 Prozent Minderung gegenüber 1990 hat der Verkehr seine Emissionen dabei – verglichen mit anderen Sektoren – deutlich weniger verringert. Um also den Verkehr auf sauber und nachhaltig zu trimmen, braucht es die Mobilitätswende. Die steht gerade bei jungen Menschen im Trend, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, für die 4.000 Frauen und Männer in Deutschland, Frankreich und Großbritannien befragt wurden. Das Consulting-Unternehmen wollte wissen, wie sich die Teilnehmenden aktuell fortbewegen und welche Arten der Mobilität sie in Zukunft nutzen wollen. Ergebnis: Je jünger die Befragten, desto seltener besitzen diese ein eigenes Auto.

Sind es bei den über 45-Jährigen noch 77 Prozent, sinkt der Anteil bei den unter 30-Jährigen auf nur noch 42 Prozent. Andere Mobilitätsarten wie etwa der ÖPNV sind indes deutlich beliebter. Während 20 Prozent der unter 30-Jährigen den ÖPNV favorisierten, gaben gerade einmal neun Prozent der Befragten über 45 Jahren an, Busse und Bahnen zu benutzen. Und in der Gen Z – den 1995 bis 2010 Geborenen – setzen 43 Prozent auf den ÖPNV und die ergänzende Mikromobilität wie Fahrräder und E-Scooter oder auf Shared Mobility.

Staus kosten Lebenszeit

So steht gerade diese Generation der Mobilitätswende deutlich offener gegenüber. Und das ist auch gut so, denn über eine neue, moderne, nachhaltige, intermodale und vor allem bedürfnisorientierte Mobilität soll sich unser aller Lebensqualität verbessern. Denn zum Beispiel kosten die zahlreichen Staus in Innenstädten Millionen Autofahrer jedes Jahr viel Zeit, Geld und Nerven. Demnach verbringt ein durchschnittlicher Pendler in Deutschland laut einer Analyse des Verkehrsdaten-Dienstleisters Inrix jährlich 40 Stunden im Stau. Insgesamt beliefen sich die Staukosten für Autofahrer in Deutschland auf 3,2 Milliarden Euro – ein Anstieg um 14 Prozent gegenüber 2022. Dazu kommen noch die erhöhten Spritkosten im Stop-and-go-Verkehr, die in einer ähnlichen Größenordnung liegen.

Helfen kann hier die Digitalisierung. So plant der Tech-Gigant Google derzeit die Implementierung eines neuen Features in seinem Navigationsdienst Maps, der im besten Fall Staus und stockenden Verkehr verhindern soll. Durch die Berechnung der Geschwindigkeit jedes einzelnen Fahrzeugs, das ein mit Maps verbundenes Gerät nutzt, kann der Google-Algorithmus den Verkehrsfluss ermitteln. Überschreitet das Verkehrsaufkommen einen vorgegebenen Schwellenwert, kann das System direkt eingreifen. Mithilfe einer farbcodierten Mitteilung in der App werden Verkehrsteilnehmende bei drohendem Stau dazu aufgefordert, eine auf die aktuelle Verkehrslage abgestimmte Idealgeschwindigkeit zu fahren. Ziel ist, dass der Abstand zum vorausfahrenden und nachfolgenden Fahrzeug gleichgehalten, unnötige Bremsvorgänge vermieden und somit Überreaktionsstaus verhindert werden. Das ist sicherlich sinnvoll, jedoch: Der Individualverkehr, auch wenn er digital optimiert wird, bleibt immer noch Individualverkehr. Und den gilt es gerade im urbanen Raum auf ein Minimum zu reduzieren. Während in ländlichen Regionen mit vergleichsweise kleinen Orten, großen Entfernungen und eingeschränkten ÖPNV-Angeboten das Auto kaum wegzudenken ist, werden im urbanen Raum diverse Alternativen für eine nachhaltige und moderne Mobilität geboten. Gleichzeitig ist der zur Verfügung stehende Raum in Städten eben geringer. 

Verkehrsmittel intermodal kombinieren

Gute Konzepte für den Kollektivverkehr zeichnen sich zunächst durch einen exzellent ausgebauten und bedarfsorientiert verzahnten sowie günstigen ÖPNV mit modernen Fahrzeugen und engen Taktungen aus. Essenzielle Ergänzungen sind On-demand-Fahrdienste, die als Mischform aus Individual- und Kollektivverkehr ihre Fahrgäste individuell zum Ziel befördern, dabei aber noch andere Personen mitnehmen. Wer in der Stadt auch ohne Auto individuell unterwegs sein möchte, nutzt das Rad. Eine hervorragend ausgebaute Radwegeinfrastruktur mit sicheren und vom Autoverkehr abgegrenzten Radwegen, dazu Fahrradschnellstraßen sowie regen- und windgeschützte Zentraltrassen, sorgen dafür, dass mehr Menschen vom Auto aufs Rad umsteigen. Zahlen des Vereins Zukunft Fahrrad zufolge trauten sich gerade in Großstädten 60 Prozent der Menschen nicht, im Straßenverkehr Fahrrad zu fahren. Komfortabel kann es aber werden, wenn all diese Verkehrsmittel intermodal miteinander verknüpft sind und barrierefrei genutzt werden können. Ein solches Mobilitätssystem verspräche tatsächlich ein extrem hohes Maß an Freiheit

Schon gewusst?

Auch die Fahrradindustrie ist Teil der deutschen Wirtschaft. Deutschland ist Autoland, und die Autoindustrie ist die wichtigste Branche für die hiesige Volkswirtschaft. Doch auch die Fahrradindustrie trägt ihren Teil zur Wertschöpfung in der Bundesrepublik bei – auch wenn der natürlich bedeutend geringer ausfällt. Ganz außer Acht lassen sollte man ihn aber trotzdem nicht. So hat der Berliner Thinktank T3 ermittelt, dass in der Bundesrepublik direkt, indirekt und durch induzierte Effekte 207.000 Arbeitsplätze an der Zweiradbranche hängen.

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