Nachhaltige Mobilität

Einmal wenden, bitte!

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2023

Noch immer sind die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich viel zu hoch. Und der Umstieg auf E-Autos kommt längst nicht so voran, wie es die Pläne vorsehen. Für eine zukunftsfähige Mobilität braucht es aber mehr als neue Antriebe.

Verkehrsstau auf einer Straße
Entspannter unterwegs dank moderner Mobilitätskonzepte. Foto: iStock / Canetti

Dass sich das Automobil jemals gegen die Pferdekutsche durchsetzen werde, daran glaubte Kaiser Wilhelm II. angeblich nicht. Heute, mehr als einhundert Jahre später, gilt eben jenes Auto noch immer als des Deutschen liebstes Spielzeug. Laut Statistischem Bundesamt erreichte die Pkw-Dichte im Jahr 2021 mit 580 Fahrzeugen auf 1.000 Einwohnende einen Rekordwert. Dass sich das Auto einmal aus dem Straßenbild zurückziehen könnte, ist für viele von uns heute unvorstellbar. Dennoch: Es gibt viele gute Gründe anzunehmen, dass sich die Mobilität von morgen verändern wird. Insbesondere ist das heutige Mobilitätsverhalten nicht mit dem Klimaschutz vereinbar: 148 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente wurden im vergangenen Jahr nach Erhebungen des Umweltbundesamtes (UBA) allein im Verkehrssektor ausgestoßen – das sind rund 1,1 Millionen Tonnen oder 0,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vor allem aber sind das rund neun Millionen Tonnen mehr als die im Bundesklimaschutzgesetz für 2022 zulässige Jahresemissionsmenge von 138,8 Millionen Tonnen. Will Deutschland bis zum Jahr 2045 tatsächlich treibhausgasneutral werden, müssen auch im Verkehrssektor die Emissionen deutlich zurückgeführt werden. Bis 2030 soll der CO₂-Ausstoß dem Gesetz zufolge im Verkehr sogar auf 84 Millionen Tonnen sinken – ein ambitioniertes Ziel, das vielen kaum mehr erreichbar erscheint. 

Nachhaltige Mobilität und Immer mehr Verkehr?

Denn obwohl die kilometerbezogenen CO₂-Emissionen seit 1995 kontinuierlich sinken, steigt doch der gesamte CO₂-Ausstoß im Verkehrssektor weiter an. Die Gründe sind vielfältig: Das UBA benennt den Trend zu immer größeren und schwereren Autos und die stetige Zunahme des Individual- und des Straßengüterverkehrs. Zwar seien moderne Autos durchaus emissionsärmer als alte Modelle, dafür fahren wir aber immer mehr. So hat die Fahrleistung der Pkws nach Angaben des UBA zwischen 1995 und 2019 um etwa 21 Prozent zugenommen, die der Lkws ist um 34,5 Prozent gestiegen. Und nicht zuletzt besitzen und fahren – wie erwähnt – immer mehr Deutsche ein Auto. Anfang dieses Jahres waren 48,76 Millionen Fahrzeuge in der Bundesrepublik zugelassen.

„Wir sehen im Verkehrssektor keine Trendwende“, sagte auch Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die leichte Zunahme von Elektroautos auf deutschen Straßen habe bislang keinen sichtbaren Effekt. Stattdessen entstehe der Eindruck, dass die neuen Fahrzeuge lediglich zusätzlich zu den mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Pkws angeschafft werden, anstatt sie zu ersetzen. Das sieht auch der Expertenrat für Klimafragen ähnlich: „Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge ersetzten in den vergangenen Jahren keine Verbrenner, sondern kamen, häufig als Zweit- oder Drittauto, zum Bestand hinzu“, heißt es in einem Gutachten. Erst 2021 sei der Bestand an diesel- und benzinbetriebenen Fahrzeugen erstmalig leicht gesunken. Der Umstieg auf E-Autos steht also noch ganz am Anfang.

Stromer als Zweitwagen

Immerhin: Die Millionengrenze bei der Zulassung von E-Autos, eigentlich für das Jahr 2020 geplant, wurde Anfang dieses Jahres nun doch geknackt. 15 Millionen E-Autos sollen es bis 2030 sein. Gerade in Großstädten stromern immer mehr batteriebetriebene Fahrzeuge durch die Straßen. Das liegt auch daran, dass die Wege kurz und die nächste Ladesäule nicht weit weg sind. Anders auf dem Land: Dort sind die zurückgelegten Strecken weit, die Angst vor dem leeren Akku ist groß. „Gerade der Ausbau der Ladeinfrastruktur in dünn besiedelten Gebieten ist Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität und von zentraler Bedeutung für die Verkehrswende“, sagte jüngst auch Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).

Bereit zum Umsteigen?

Zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Mobilität gehört aber auch, unnötige Fahrten so weit wie möglich zu vermeiden. Statt das eigene Auto zu benutzen, müssen wir wieder umsteigen – zum Beispiel auf Rad oder E-Bike, in Bus oder Bahn. Das setzt nicht zuletzt eine ordentlich ausgebaute Verkehrsinfrastruktur abseits der Straße voraus. Fahrradwege müssen breiter, komfortabler und vor allem sicherer werden. Überdacht – zum Beispiel mit Photovoltaikanlagen –, könnten die Fahrrad-Highways von morgen Radfahrende vor Hitze, aber auch vor Regen und Schnee schützen und so zur echten Alternative zum Auto werden. Eine echte Alternative muss auch der öffentliche Personennahverkehr werden – und zwar nicht nur in der Großstadt. So sagen 97 Prozent der Berlinerinnen und Berliner, dass es einfach ist, sich mit den Berliner Verkehrsbetrieben in der Stadt zu bewegen. Laut dem „Time Out“-Magazin äußern sich weltweit in keiner anderen Stadt die Menschen über ihr Nahverkehrsunternehmen so positiv. Den Bewohnerinnen und Bewohnern im ländlichen Raum, wo seit Jahrzehnten weder Bus noch Bahn verkehren, nützt das aber nichts. Ihnen bringt auch das kürzlich eingeführte 49-Euro-Ticket wenig. Hier gilt es, wieder Alternativen zu schaffen. In einer modernen, digitalisierten Welt könnte die Alternative ein intermodaler, rundum vernetzter Verkehr sein. Die Vorstellung: Über eine App lässt sich die Fahrt von A nach B buchen – und zwar unabhängig vom konkreten Verkehrsmittel so, wie es am schnellsten und bequemsten ist. Leihwagen, Sharing-Rad und Bahnticket sind über diese App gleich mitgebucht und miteinander verknüpft. Denn was am Ende zählt, ist doch, dass wir komfortabel unterwegs sind und gut ankommen – und nicht, mit welchem Verkehrsmittel wir unterwegs sind.

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